Music Man 100B

Wie schon im Review zum neuen Music Man BH-500 bemerkt, wurde die Marke Music Man zunächst nach der Gründung der Firma durch die Herstellung von Verstärkern bekannt. Erst ein paar Jahre später kam der heute bei Bassisten wohlbekannte Stingray dazu.
Mit dem 1974 vorgestellten Sixty Five ging Music Man zudem einem zu der Zeit zwar nicht neuem, aber eher unüblichen technischem Konzept nach, indem sie die Vorstufe Transistor-basierend konzipierten, welche von einer Röhren-Endstufe verstärkt wird. Man wollte einen möglichst cleanen Sound produzieren und versprach sich durch die Verwendung von Transistoren einen cleanen "ungefärbten" Sound. Leistungsstarke Transistor-Endstufen waren zu der Zeit nicht das Nonplusultra, technisch gesehen wogen sich Vor- und Nachteile gegenüber dem bewährten Röhrenendstufen-Konzept auf.
Mit dem HD 75 und insbesondere dem HD150 wurden die Amps auch interessanter für Bassisten. Sie verfügten über zwei unterschiedlich ausgelegte Kanäle (ein Kanal war für die Bass-Klangregelung ausgelegt) und ausreichend Leistung. Die als reine Bass-Amps ausgelegten Amps 100B und 120B blieben jedoch Exoten, da kurz nach deren Markteinführung das Ende der Amp-Produktion bei Music Man durch den Verkauf der Firma an Ernie Ball 1984 eingeläutet wurde.
Als 2014 die Wiederauferstehung von Music Man Amps angekündigt wurde, habe ich im Stillen gehofft, dass Music Man auch einen der o.g. Bassamps wieder neu auflegt.

Der Music Man 100B wurde nur in relativ geringer Stückzahl während eines kurzen Zeitraumes von 2 Jahren hergestellt und verkauft. Von den hergestellten Amps waren nur wenige für den europäischen Markt vorgesehen. Dementsprechend unbekannt sind sie und dementsprechend wenige Exemplare findet man auf dem Gebrauchtmarkt.

Übersicht

  • Bauform: Verstärker im Holzcase
  • Technik: Transistor / Röhre
  • Maße: 570 x 220 x 200 mm (Breite x Höhe x Tiefe)
  • Gewicht: 17 kg
  • Leistung: 100 Watt an 4 Ohm oder 8 Ohm
  • Eingänge: Klinke
  • Ausgänge: Speaker (Klinke), Balanced Line Out (Klinke), Line Out (XLR)
  • Klangregelung: Bass, Höhen, 5-Band EQ (schaltbar), semiparam. Mitten

 

Konzept

Für das robuste und Road-taugliche Holzcase wurde 19 mm starkes Schichtholz verwendet, das verwendete Tolex zeigt auch nach knappen 33 Jahren nur wenige Gebrauchsspuren. Lediglich die Metallecken sind mit einer leichten (Rost)-Patina überzogen. Dies scheint bei Music Man Amps aber "normal" zu sein. Bei den fünf mir bekannten Amps waren diese "Altersspuren" vorhanden.
Mit knappen 17 kg gehört der 100B nicht zu den schwersten Amps. Ein oberseitig angebrachter Tragegriff erleichtert den Transport des Verstärkers, welcher über vergleichsweise kompakte Abmaße verfügt.
Ebenfalls erstaunlich: Bei allen von mir getesteten Music Man Amps aus den 80ern funktionieren die Potis ohne Krachen/Kratzen, wie man es von so manchen Amp jüngeren Datums gerne kennt.

Für das Chassis wurde stabiles 2 mm starkes und verwindungssteifes Blech verwendet.

 

 

Spätestens ein Blick ins Innere des Amps offenbart...

 

 

...Music Man setze bei der Entwicklung seiner Amps auf Transistoren in der Vorstufe. Lediglich die Endverstärkung setzt auf die Verwendung von Röhren. Um 100 Watt aus zwei 6L6 Röhren zu quetschen, arbeiten im Innern des Amps sehr hohe Ströme, die die verwendeten Röhren (fast) an ihre Leistungsgrenzen bringen.

Im Vergleich zu den anderen Music Man Amps ist der Preamp des 100B einkanalig aufgebaut. Zum Anschluss des Basses steht eine Klinkenbuchse bereit, auf eine getrennte Gain-/Master-Regelung wurde verzichtet.
Lobenswert: Der DI-Out ist vorderseitig vorhanden!

 

 

Interessant finde ich die Aufteilung des Equalizers:

 

 

Zur Einstellung des gewünschten Sounds können quasi zwei Equalizer bemüht werden. Sehr wirkungsvoll und brauchbar finde ich den 3-Band EQ mit einer semiparam. Mittenregelung.

  • Treble: +/- 16dB bei 5 kHz
  • MidRange: +/- 16dB bei 170 Hz bis 4 kHz
  • Bass: +/- 16dB bei 60 Hz


Eigentlich ist dieser Equalizer zur Einstellung des Sounds völlig ausreichend, ein weiterer 5-Band EQ kann zur "Feineinstellung" genutzt werden:

 

 

Die Frequenzaufteilung der Bänder (+/- 16 dB bei 67 Hz, 184 Hz, 510 Hz, 1,4 kHz und 3,8 kHz) ist geschmackvoll gewählt und erlaubt viele brauchbare Einstellungen.

Während bei vielen anderen Amps der Abgriff des DI-Outs per Schalter einfach nur pre oder post EQ gewählt werden kann, erfolgt hier der Abgriff des DI-Outs ein wenig anders:

 

 

In "0"-Stellung liegt kein Signal an den beiden Line-Outs an. Linksseitig gedreht erhöht sich der Pegel des Signals, welches vor dem EQ abgegriffen wird, rechtsseitig gedreht erhöht sich der Pegel des Signals, welches nach dem EQ abgegriffen wird.

Auf der Rückseite des Amps sind lediglich die Klinken-Anschlüsse für die Boxen und ein Line out vorhanden:

 

 

Das Signal des rückseitigen Line-Outs ist höher als das Signal des vorderseitigen XLR-Outs. Wird der rückseitige Line-Out verwendet, deaktiviert dies den XLR-Out.

Sound

Transistoren in der Vorstufe? Das muss doch "kalt" und "steril" klingen! Na ja, mittlerweile haben es ja einige andere Hersteller, welche ebenfalls auf Transistoren basierende Preamps in ihren Amps verwenden, gezeigt, dass dem nicht so sein muss. Der Grundsound des Music Man 100B ist alles andere als "kalt" und "steril". Er neigt nicht wie viele andere Vollröhrenamps zu einer Überzeichnung der Bässe. Die Mitten sind leicht zurückgestellt, "feine" Höhen sind vorhanden. Im Vergleich zu einem Fender Bassman 100 klingt der 100B deutlich neutraler und dabei ein wenig "straffer" und "direkter". Erstaunlich finde ich, wie nebengeräuscharm der Amp selbst bei aberwitzigen Poti-Stellungen bleibt.
Wie schon oben geschrieben, ist der 3-Band Equalizer völlig ausreichend, wenn es darum geht, den Sound des Amps den räumlichen Gegebenheiten anzupassen. Das Bass-Poti sollte man vorsichtig bedienen, hiermit können die Bässe schnell zu sehr in den Vordergrund treten.
Den ebenfalls vorhandenen 5-bändigen Equalizer setze ich kaum ein, er eignet sich jedoch ebenfalls hervorragend, um an seinem "Wunschsound" zu basteln. Sehr gut finde ich die Mittenrasterung der Potis in Neutralstellung.

Ob der Amp jetzt tatsächlich die angegebenen 100 Watt leistet, vermag ich nicht zu sagen, aber der 100B tritt recht "amtlich" auf. Ich habe das Gefühl, dass der Amp nie wirklich absolut clean klingt, ein wenig "brizzeln" ist immer vorhanden. Jedoch ist erst bei sehr hohen Lautstärken eine deutlichere Zerre zu vernehmen. Und selbst diese "Zerre" klingt ebenfalls nicht "kalt/kratzig/sägend" sondern eher weich/harmonisch.

Fazit

Eigentlich schade, dass Music Man bei der Wiederbelebung seiner alten Amps nicht an den 100B gedacht hat. Aufgrund der vielseitigen Einstellungsmöglichkeiten des Equalizers gehört der Music Man 100B zu den vielseitigeren Bassamps und würde somit das Angebot an 100 Watt Bass-Amps sehr gut bereichern.