Ein Kompressor ist so ziemlich der einzige Effekt,
den ich immer auf meinem Board bzw. in einem Rack platziere und der immer eingeschaltet bleibt. Alle möglichen Effekte, angefangen von verschiedenen Overdrives, Chorus-Pedalen, Equalizer etc.,
kamen und gingen zumeist wieder recht schnell. Die einzige Konstante waren ein Tuner und eben halt ein Kompressor.
Im Rack arbeitet ein Triple C, auf dem Board hat ein
ähnlich wirkungsvoll arbeitender TC
NDY-1 seinen Platz gefunden.
Zwischenzeitlich landete auch mal ein MXR
M87 und ein Empress Compressor auf dem
Board, nachhaltig überzeugt hat mich jedoch ein Cali76-TX.
Der Cali76 ist angelehnt an den
legendären 1176LN
Kompressor von UREI. Dieser stellte zu seiner
Zeit (Ende der 60iger) quasi einen Studio-Standard dar, er wurde in unzähligen Studios für Plattenproduktionen eingesetzt. Der Cali76 ist jedoch keine 1:1 Kopie des 1176, man hat jedoch versucht,
das Konzept ein wenig abgespeckt in Bodentreter-Form umzusetzen. Das Besondere am Cali76 ist, dass FETs für
die Schaltung verwendet wurden, auf die Verwendung von heute eher gebräuchlichen ICs wurde verzichtet.
Den Cali76 Kompressor gibt es in vier verschiedenen
Versionen:
Ich habe mich für die TX-Version entschieden, da sie
zumindest auf dem Papier das versprach, was ich mir von einem Kompressor erhoffte.
Anschlüsse: 1x Input (Klinke), 1x Output (Klinke), 1x Line/DI
(Klinke)
Stromversorgung: 9 oder 18 Volt DC
Gehäuse: Alu-Bleck, gebürstet
Abmaße: 160 x 205 x 50 mm
Gewicht: 750 g
Regelung: Input/Comp, Output, Release, Attack,
Ratio
Sonstiges: 12stellige Gain Reduction LED-Anzeige, True
Bypass
Der Cali76 ist groß. Auf dem Board nimmt das
großzügig dimensionierte und aus dickem Aluminium-Blech gefertigte Gehäuse viel Platz ein. Die Potiknöpfe wirken ebenso riesig. Einzig das Gewicht hinkt dem äußeren Anschein ein wenig hinterher.
Man erwartet, einen Klotz anheben zu müssen, jedoch ist der Kompressor angenehm leicht.
Der Kompressor arbeitet mit 9...18 Volt DC. Der
Kompressor verfügt im Innern über eine Aufnahme eines 9 Volt-Blockes. Zum Einsetzen muss jedoch das Gerät aufgeschraubt werden. Der Hersteller verspricht zwar eine 50-stündige Batterielebensdauer
(bei Betrieb), eine von außen besser zugängliche Aufnahme wäre jedoch wünschenswerter gewesen.
Ein Relais schaltet den Trafo in den Signalweg,
sobald eine Spannung von 18 Volt anliegt. Liegt die Spannung darunter, wird der Trafo Schaltungs-technisch umgangen.
Wichtig bei Auswahl von Kompressoren ist mir, dass
ich möglichst viele Eingriffsmöglichkeiten in die Arbeitsweise des Effektes habe. Viele Kompressoren im Bodentreter-Format bieten eher weniger Regelungsmöglichkeiten, der Cali76 ist in dieser
Hinsicht ein wenig besser ausgestattet.
INPUT/COMP
Das anliegende Signal wird durch einen internen
Preamp verstärkt. Die Signalstärke des Preamps wird mit Input/Comp bestimmt. Der Threshold ist an der Einstellung des Ratios
gebunden und wird automatisch angepasst. Klingt erstmal ziemlich ungewöhnlich, aber man gewöhnt sich recht schnell an die Einstellungsmöglichkeiten des Cali76. Letztendlich kann man mit
Input/Comp auch den Arbeitspunkt des Kompressors einstellen: Liefert der Preamp des Cali76 mehr Output an den Kompressor, so arbeitet dieser "hörbarer"...
Attack
...regelt die Anschwellzeit , die das Signal
brauchen soll um das mit
Ratio
eingestellte Kompressionsverhältnis (stufenlos
wählbar zwischen 4:1 bis 20:1) zu erreichen.
Release
...stellt die Ausklingzeit ein, in der das
komprimierte Signal nach Unterschreitung des Thresholds wieder auf das unkomprimierte Signal zurückfährt.
Output
Hiermit können Lautstärkesprünge zwischen on/off
Zuständen ausgeglichen werden. Dies ist insofern wichtig, da der Threshold indirekt über den Input-Gain eingestellt wird.
Der Cali76-TX verfügt im Gegensatz zum Cali76-STD
über zwei verschiedene Ausgänge. Für den Anschluss an einen Amp dient (normalerweise) der unbalanced Amplifier-Out. Etwas verwirrend ist der daneben vorhandene Gain-Kippschalter. In High-Stellung wird das interne Signal vor dem
Ausgangsübertrager um ca. 9dB angehoben. Die Folge ist, dass das am Amplifier- und Line/DI-Out anliegende Signal zum einen deutlich lauter wird, aber auch deutlich "in die Breite" geht. Das
heißt, dass bei höheren Input/Comp Stellungen das Signal leicht anfängt zu verzerren. Dies klingt sehr weich und harmonisch, weit abweichend von harten, kratzigen Zerrsounds üblicher
Overdrive-Pedale.
Am Line/DI Output liegt ein symmetriertes Signal an,
welches bei Bedarf mit dem PAD-Kippschalter um 28dB abgesenkt werden kann.
Ich stelle einen Kompressor immer so ein, dass er
als Effekt quasi nicht hörbar ist. Für Neulinge am Kompressor kann die 12-stellige LED Anzeige vorteilhaft sein, denn sie verdeutlicht, inwieweit das Signal bei Überschreitung des eingestellten
Thresholds komprimiert wird.
Wie schon beim MXR M87 und beim TC NDY-1 sind die
Eingriffsmöglichkeiten des Cali76 ein wenig komplexer gestaltet, als bei einem "One Knob"-Kompressor. Nach einiger Eingewöhnungszeit und dem Verständnis, was die einzelnen Parameter bewirken,
stellt ein Kompressor ein sehr hilfreiches Tool dar. Er macht was er soll: Er glättet die Dynamik und macht das Signal "dichter" und "druckvoller". Im Einzelkontext mag man das jetzt nicht
unbedingt sofort hören, im Bandkontext ist ein gut eingestellter Kompressor jedoch sofort zu bemerken.
Die Regelwege der einzelnen Parameter sind so
gewählt, dass fast unhörbare Kompressionen möglich sind, jedoch sind auch deutlich hörbare Signalveränderungen möglich: Stichwort "Pumpen". Bei höheren Input/Comp Einstellungen sind
Overdrive-Sounds möglich. Sie klingen sehr weich und überhaupt nicht kratzig. Hierbei sind deutliche Unterschiede zu hören, ob man den Kompressor mit 9 Volt betreibt, oder mit 18 Volt (und somit
mit aktiviertem Ausgangsübertrager). Mit 18 Volt sind die Zerrsounds deutlich harmonischer.
Bei der Auswahl eines Kompressors ist es mir ganz
wichtig, dass dieser den Klang unangetastet lässt. Rauschen ist ein totales "No Go", ist jedoch bei vielen Kompressoren "üblich". Der Cali76 arbeitet praktisch rauschfrei (höhere
Input/Comp-Einstellungen machen ein leichtes Rauschen hörbar) und gibt den Klang des Basses weitestgehend unverfälscht wieder.
Warum "weitestgehend"? Ich habe das Gefühl, dass der
Kompressor selbst bei minimalen Input/Comp Einstellungen, also auch dann, wenn der Threshold und somit der Arbeitspunkt des Kompressors noch nicht erreicht wird, den Sound aufwertet. Der Sound
wird "luftiger", gaaanz leichte Hochmitten und Höhen werden hinzugefügt.
Ich habe anfänglich gezögert, den Preis für den
Cali76-TX zu akzeptieren. Ich habe mit dem TC NDY-1 "meinen" Kompressor gefunden, jedoch wünschte ich mir manchmal einen Kompressor, der "hörbarer" ist. Genau das kann der Cali76-TX. Er klingt
irgendwie deutlich hörbarer, ohne jedoch den Sound großartig zu "färben". Ich habe keine Ahnung, wie ein UREI 1176 klingt, der Cali76 klingt jedoch sehr gut.
Die Kiste ist groß und sieht auf einem Board auch
recht klobig aus, um alle seine soundlichen Möglichkeiten auszufahren bedarf es einer Spannungsversorgung mit 18 Volt, aber dafür entschädigt er dann auch mit sehr guten klanglichen
Ergebnissen.
Das Gehäuse scheint für die Ewigkeit gebaut zu sein,
die Beschriftung wird jedoch nicht sooo lange halten. Schon nach kurzem Gebrauch fängt sie an abzublättern. Für ein Gerät, welches nicht in die Günstig-Abteilung gehört, finde ich dies
schade...