Music Man Bongo 5 HHP

Als Kommentar zu diesem Review eines Musicman Bongos habe ich folgendes geschrieben:

Ich bin ebenfalls immer wieder begeistert vom Sound des MM Bongos. Was mich aber jedesmal von einem Kauf abhält ist, dass ich mich einfach nicht an das Design gewöhnen kann... Ansonsten ist das ein wunderbarer Bass. 

Jedes Mal wenn sich die Gelegenheit bot, habe ich einen Bongo testweise zur Hand genommen und musste immer wieder feststellen, wie gut sich diese Bässe anfühlen und wie gut sie klingen. Aber ich konnte es mir nicht vorstellen, so einen Bass zu kaufen, der 1.) neu nicht gerade günstig ist und der 2.) auch noch so aussieht und dann auch noch 3.) so einen Namen hat...
Es hat seit meinem o.g. Kommentar noch weitere 5 Jahre gebraucht, bis ich mich entschlossen habe, einen Musicman Bongo zu kaufen. Die Suche gestaltete sich etwas schwierig. Viele Musikhäuser bieten nicht die Möglichkeit, einen Bongo antesten zu können. War doch mal ein Exemplar vorrätig, handelte es sich meistens um die 4-Saiter Version und diese dazu noch in der "Stealth Black" Ausführung. 
Ich hatte eine feste Vorstellung von meinem zukünftigen Bongo: Es musste ein 5-Saiter mit zwei Humbuckern mit schwarzem Finish sein. Da der Bongo nicht gerade zu der "verkauft mit großer Stückzahl"-Fraktion gehört, gab der Gebrauchtmarkt auch nicht sehr viel her. Entweder wurde ´ne falsche Farbkombi angeboten, die PU-Anzahl stimmte nicht oder der Preis war zu hoch. Aber eines Tages wurde mir ein passendes Exemplar angeboten, bei dem alle Kriterien stimmten.

Übersicht

  • Hersteller: MusicMan
  • Modell: Bongo 5 HHP
  • Baujahr: 2003
  • Korpusholz: Linde
  • Mensur: 34", 864mm, Longscale
  • Sattel: Compensated Nut (Kunststoff)
  • Halsbreite: Sattel 45 mm, 12. Bund 62 mm
  • Bünde: 24, Medium Jumbo
  • Griffbrettradius: 11" (28 cm)
  • Hals: 5-fach verschraubt, Ahorn mit Palisander Griffbrett, Rückseite lackiert
  • Hardware: Chrom
  • Mechaniken: offene Stimmmechaniken, Standard MusicMan Bridge mit Piezo Tonabnehmern
  • Tonabnehmer: 2x MusicMan Humbucker (Neodymium-Magnet), Piezo
  • Elektronik: aktiv (18 Volt), 4-Band EQ
  • Gewicht: 4,1 kg 

Handling

Wie bei allen Musicman Bässen kommt der Bongo im passenden Kunststoff Hardcase daher. Der erste Eindruck: Trotz seines Alters, immerhin ist mein Bongo Baujahr 2003 und gehört damit zu den ersten Bongos, hat der Verkäufer nicht zu viel versprochen. Der Bass sieht aus wie neu. Wie nicht anders von einem Musicman zu erwarten, ist der Bass hervorragend verarbeitet. Nix sitzt schief, keine Tropfnasen im Lack, keine übermäßigen Spaltmaße.
Wie man vielleicht auf einigen Fotos erkennen kann bedeutet "Sapphire Black" nicht unbedingt wirklich black=schwarz. Der Bass schimmert je nach Lichteinfall sogar in einem leichten Blauton, bei normalem Tageslicht wirkt er dunkelgrau.

Im Vergleich zu meinem Musicman Reflex 5HSS ist der Bongo überraschend leicht. Der Gewichtsunterschied beträgt laut Waage gerade mal 0,3 kg, jedoch stimmt das gefühlte Verhältnis Abmaße/Gewicht nicht überein...


Das Shaping des Bodys scheint eher für die stehende Spielweise optimiert worden zu sein. Der Bass hängt trotz der schweren offenen 5er Mechanik völlig ausgewogen im Gurt, keine Kopflastigkeit ist zu verzeichnen. 
Der abgerundete und und zu den Kanten hin flach auslaufende Body erlaubt eine bequeme Spielhaltung, ein etwaiger Bauansatz des Spielers wird (in gewissen Grenzen) durch ein innenseitiges Shaping berücksichtigt.

Für ein Spiel im sitzen stört jedoch das etwas zu kurz geratene untere Horn. Der Bass sitzt zwar stabil, auf Dauer wirkt die fehlende Auflagefläche jedoch unbequem.



Die Halsrückseite ist "matched" lackiert. Der Lack wirkt jedoch nicht klebrig, sondern eher matt. Es ist trotzdem kein Vergleich zu den Musicman-typischen seidig-matten Hals-Finishes. Der Hals besitzt ein angenehm flaches Profil. Trotz der fast identischen Breitenmaße des Halses liegen die äußeren Saiten im Vergleich zum Reflex jedoch nicht so weit an der Kante, und die Gefahr, dass man sie bei schnellem (ungeübten) Spiel vom Griffbrett drückt, ist weitaus geringer.
Als Fretdot werden nicht die sonst üblichen Punkte eingesetzt, sondern am Design des Bongos angepasste halbmondförmige Symbole.


Aufgrund dessen, dass die Kopfplatte nicht nach hinten geneigt ist, wird zum Erreichen des notwendigen Andruckes der Saiten ein Saitenniederhalter für die D- und A-Saiten verwendet. Wie bei mittlerweile allen MusicMan Bässen wird auch beim Bongo ein s.g. "Compensated Nut" (Saddle) eingesetzt. Dieser erlaubt eine saubere Intonation, was sich insbesondere beim Spiel mit Leersaiten bemerkbar macht.


Mein Musicman Bongo ist mit einem Piezo-Tonabnehmer ausgestattet. Dieser sitzt unmittelbar auf Höhe der Saitenreiter der jeweiligen Saite und ist mit einem separaten onBoard Preamp verbunden.


Alle Bongos sind mit einer 18 Volt Elektronik ausgestattet, die selbst hohe Pegelspitzen verzerrungsfrei und dynamisch wiedergeben soll.

Sounds

Die Bongos sind mit folgenden Pickupkombinationen erhältlich:

Single Humbucker
Humbucker / Humbucker
Humbucker / Humbucker / Piezo
Humbucker / Single Coil

Wer den Klang eines Stingrays (welcher als Musicman-Bass-Referenz herhalten muss) kennt, wird beim erstmaligen Testen eines Bongos überrascht sein. Er klingt irgendwie "anders". Die Single-Humbucker Version ähnelt einem Stingray klanglich noch am ehesten. Der typische knallharte Sound eines Stingrays wird jedoch nicht erreicht.
Die Version mit zwei Humbuckern klingt nochmals anders. Der Klang wird deutlich "weicher" und ist nicht ganz so vordergründig präsent wie beim Stingray. Tja, und die Version mit Humbucker+Humbucker und Piezo?

Mit einem Blend-Poti kann stufenlos zwischen Bridge- und Neck-PU gewählt werden. Diese Möglichkeit erlaubt viele Soundvariationen zwischen "viele Höhen/Mitten" (Bridge-only) bis "pfundig/bassig" (Neck-only). Mit einem weiteren Blend-Poti kann zwischen Humbucker und Piezo stufenlos gewählt werden. Der Piezo-only Sound ist reich an kernigen (eher Tief-)Mitten, feinen Höhen und einem fettem Bass. 

Aber Achtung: Ein Piezo-Tonabnehmer reagiert auf Druckänderungen (die durch Schallwellen erzeugt werden). Somit werden u.a. Saiten-Geräusche stärker wiedergegeben und ein Plek-Spiel in unmittelbarer Nähe der Bridge klingt gewöhnungsbedürftig.


Die Bänder des Equalizer sind wie folgt aufgeteilt:

Bass: 40 Hz (+/- 18 dB)
Low Mid: 400 Hz (+/-18 dB)
High Mid: 2.5 kHz (+/- 18 dB)
Treble: 6.3 kHz (+/- 18 dB)

Mit Bedacht sollte man den Bassregler betätigen, denn durch den weiten Regelweg kann es schnell ein wenig zu viel des Guten werden. Die beiden Mitten-Bänder sind dagegen m.E. sehr gut abgestimmt und erlauben sehr gut die Platzierung des Basses im Gesamtmix in einer Band. Selbst bei weit aufgeregeltem Treble bleibt die onBoard Elektronik des Basses rauschfrei!
Es ist schon erstaunlich, wie gut sich der Basssound alleine durch den onBoard Equalizer beeinflussen lässt. Man könnte fast meinen, dass man auf einen weiteren Equalizer, z.B. eines Amps, verzichten könnte...


Es macht Spaß, die verschiedensten Blend-Poti Stellungen auszuprobieren. Mit beiden Humbuckern sind fette und dennoch ausgewogene Sounds möglich, die zwar an einen Stingray erinnern, jedoch in eine angenehm andere Richtung gehen. Der Bongo klingt vergleichsweise "weich" und bei weitem nicht so aggressiv wie ein Stingray. Während ich bei meinem Stingray 5HH schnell dazu überging, fast ausschließlich nur den Bridge-Humbucker zu nutzen, spiele ich den Bongo gerne mit beiden Humbuckern zu gleichen Teilen. Diese Kombination war mir z.B. beim Stingray viel zu bassig. Dadurch war der Basssound nur schwer zu handhaben und so ging er auch mal schnell im Gesamtmix unter.
Während diese Kombination beim Bongo solo gespielt im Prinzip ähnlich klingt, ist sie jedoch im Mix besser zu orten.
Mit Hilfe des Piezos sind nochmal ganz andere Sounds möglich. Piezo only klingt solo gespielt richtig gut und erinnert irgendwie an einen Halbakustik-Bass. Dafür klingt diese Einstellung im Gesamtkontext jedoch bei weitem nicht so durchsetzungsfähig, was u.a. daran liegen mag, dass vorrangig die Bässe und die Mitten wiedergegeben werden.
Interessant klingt es, wenn man beide Humbucker zu gleichen Teilen und einen Tick Piezo mixt. Der Sound des Basses geht deutlich in die "Breite", behält aber seine Durchsetzungsfähigkeit.

Fazit

Ich habe ja nun schon ein paar Musicman Bässe besessen (u.a. einen Stingray 5H, einen Stingray 5HH, einen Musicman SUB5, einen Sterling 4) bzw. ist mein derzeitiger "Hauptbass" ein Reflex 5HSS. Der Bongo klingt im Vergleich zu den eben genannten Bässen irgendwie "anders". Er weicht nicht ganz so weit vom "Musicman"-Sound ab, wie es z.B. der Reflex könnte, aber Musicman hat es m.E. mit dem Bongo trotz der Verwendung der gleichen typischen Humbucker geschafft, einen eigenständigen Sound zu entwickeln.
Das Design des Bongos finde ich immer noch "na ja, geht so", im Vergleich zu manchem völlig abgedrehten "Edelbass" aber recht ansprechend. Was mir jedoch immer noch gefällt ist die Haptik des Basses: Er fühlt sich gut an und spielt sich wunderbar leicht.

Die Neupreise für einen Bongo schwanken je nach Ausführung zwischen 1.900 - 2.600 Euro. Gebrauchte und pfleglich behandelte Bongos sind schwer zu finden, werden dann aber für 1.100 - 1.500 Euro angeboten. Bei einem Gebrauchtkauf sollte man auf die oberste Spitze der Kopfplatte und auf das obere Horn achten: Hier zeigen sich in den meisten Fällen die größten Abnutzungsspuren...

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