EBS T90

Dass EBS sehr gute Bassamps herstellt, ist bekannt. Dass sich darunter auch ein Vollröhrenamp befindet, das scheinen nur wenige zu wissen. Mein Interesse wurde bereits während der Vorstellung des T90 im Jahre 2010 geweckt. Leider konnte ich den Amp nirgends antesten. Vor einem Blindkauf schreckten mich u.a. der recht hohe Preis und die eher "bescheidene" Leistung von 90 Watt ab. Bisher spielte ich nur Röhrenamps mit mindestens 200 Watt Leistung, gerne auch darüber hinaus. Dass es durchaus potente Vollröhrenamps mit relativ wenig Leistung gibt, weiß ich spätestens seit dem antesten eines Fender Bassman 100T und eines Ashdown CTM100. Selbst mein Ashdown Little Bastard 30 mit knappen 30 Watt Leistung kann beachtliche (cleane) Lautstärken verursachen.

Übersicht

  • Bauform: Topteil im Holzgehäuse
  • Technik: Röhre
  • Maße: 535 x 265 x 240 mm (BxHxT)
  • Gewicht: 17 kg
  • Röhrenbestückung: 2 x 6550, 1 x 7025, 2 x 12AU7, 1 x 12AT7
  • Klangregelung: 2-Band EQ passiv
  • Leistung: 90 Watt an 4 o. 8 Ohm
  • Eingänge: Klinke (passiv / aktiv)
  • Ausgänge: Speakon (Speaker)


Konzept

Eine erstklassige Verarbeitung darf man von einem Amp mit einem Anschaffungspreis über 1000 Euro wohl zumindest erwarten. Hier wurde ich nicht enttäuscht. Der Amp kommt mit kompakten Abmaßen daher, das Holzgehäuse ist mit einem schwarzen strapazierfähigen Tolex bezogen, die Ecken sind mit Metallkappen gegen Stöße gesichert. Ein weitmaschiges Metallgitter lässt front- und rückseitig den Blick auf die Röhren frei.
Das Gewicht des Amps beträgt 17 kg, was ihn noch transportierfreudig erscheinen lässt. Dazu trägt auch der oberseits angebrachte Transportgriff bei.
Die Potis bewegen sich mit einem angenehmen Widerstand, die Kippschalter für On/Off und Standby rasten satt ein.



Das Verstärker-Chassis ist aus sehr dickem Stahlblech gefertigt. Die Trafos (links der AÜ, rechts der Netztrafo) erscheinen für einen 90 Watt Amp vergleichsweise riesig, der Hersteller prahlt damit, dass sie "oversized" seien.
Im Vordergrund sind die Preamp-Röhren bzw. die Treiberröhre zu erkennen. Die Röhre für die Eingangsverstärkung, beim T90 eine selektierte 7025, ist mit einem Becher gegenüber Einstreuungen geschützt. Im Hintergrund sind die beiden Endstufenröhren des Typs 6550 zu erkennen. Vorbildlich: Alle Röhren sind mit s.g. Tube-Retainern geschützt. Diese sollen verhindern, dass sich die Röhren u.a. beim Transport lose wackeln können und es so zu unerwarteten Fehlfunktionen kommen kann. Hierbei fällt mir als Negativbeispiel gerne der Warwick Quadruplet ein, dessen liegend angeordnete Röhren ziemlich schnell lose waren.



Auffallend ist, dass das Chassis anscheinend noch für einen Amp mit höherer Leistung (ca. 200 Watt) verwendet werden sollte. Es sind Aussparungen für weitere zwei Endstufenröhren und eine Aussparung für eine weitere Preampröhre zu erkennen. Plante EBS etwa noch den Marktgang eines weiteren, leistungsstärkeren Vollröhrenamps?

In den späteren Produktionsjahren verschwanden diese Aussparungen jedoch wieder:



Das Innere des T90 ist wie bei den meisten Vollröhrenamps wenig spektakulär und relativ übersichtlich.



Die frontseitigen Bedienelemente sind ähnlich übersichtlich:


Zum Anschluss eines Basses stehen zwei Klinkeneingänge zur Verfügung: Ein passiver Eingang für Bässe mit niedrigem Output und ein aktiver Eingang für Bässe mit hohem Output. Eine Gain-Regelung zur Aussteuerung des Eingangssignal ist nicht vorhanden. Der mit Volume betitelte Poti regelt die Gesamtlautstärke des Amps.


Der Equalizer des T90 erlaubt die Regelung der Bässe (+/- 12 dB bei 80 Hz) und der Höhen (+/- 12 dB bei 8 kHz). Presence regelt ein weiteres Höhenband (0-12 dB bei 5 kHz). Die Presence-Regelung macht sich vor allem bei höheren Volume-Einstellungen bemerkbar, dann wenn der Amp anfängt zu zerren. So kann man die "brizzligen" Höhen im Zerrsound ein wenig mehr kontrollieren. Im cleanen Bereich ist der Presence-Regler eher unspektakulär, aber nicht ohne Wirkung.


Zu guter Letzt finden sich noch zwei Kippschalter auf der Frontseite: Ein On/Off Schalter und ein Standby-Schalter. Die Schaltzustände werden mit jeweils einem hell leuchtenden Kontrolllämpchen quittiert.


Auf der Rückseite befindet sich u.a. der DI-Out, welcher post-EQ/pre Volume abgegriffen wird. Die Presence Regelung hat keine Auswirkungen auf den DI-Out. Der DI-out ist "Tube-driven".


Für den Anschluss der Boxen stehen jeweils eine Speakon-Buchse für eine Minimalimpedanz von 4 oder 8 Ohm zur Verfügung. Der simultane Betrieb beider Ausgänge hat "schädliche Auswirkungen" auf die Betriebsdauer des Amps.


Erfreulich: Ein Abgriff zum einstellen des BIAS nach einem erfolgten Endstufen-Röhrenwechels (ein gematchtes Röhrenpaar ist erforderlich) ist nach außen geführt. So kann man, technisches Verständnis vorausgesetzt, die notwendige Bias-Einstellung selbst durchführen.

Sound

Dass ich skeptisch aufgrund der vergleichsweise geringen Leistung war, habe ich ja bereits oben geschrieben. Ein leihweise überlassener Fender Bassman 100T hat die Skepsis ja ein wenig abflauen lassen, ganz gelegt hatte sie sich nicht.

Beim Einschalten des T90 lässt sich ein ganz leises Rauschen ausmachen, welches aber entscheidend von der Stellung des Höhenreglers abhängig ist. Ansonsten verhält der Amp sich erstaunlich ruhig.

Ein erster Test mit allen EQ-Reglern auf 12 Uhr lässt aufhorchen. Der Amp gibt einen straffen, sauberen recht neutralen Ton wieder. Vollröhrenamps neigen ja gerne zur Basslastigkeit, das scheint beim T90 nicht ganz sooo ausgeprägt zu sein. Einen kleinen Tick den Bassbereich dämpfen und dafür die Höhen ebenso wenig betonen: Voilà, mein Sound ist gefunden!

Ich schrieb bereits, dass der Presence-Regler anscheinend keine Auswirkungen auf den Sound zu haben scheint. Stellt man ihn jedoch auf Null, klingt der Sound irgendwie muffig, ganz ohne Brillianzen.

Ab Volume-Stellungen oberhalb von 1 Uhr geht der Amp (bei recht hoher Lautstärke) in die Zerre. Gewohnt leicht komprimiert und ohne billige Säge fängt der Ton an zu zerren. Erst jetzt macht sich die Stellung des Presence-Reglers deutlich bemerkbar. Stellt man ihn jetzt Richtung Null wird der Sound deutlich straffer, die Sound wird dicker. Voll aufgedreht klingt der Sound sehr kratzig, das Bassfundament verliert sich leicht.

Wohlgemerkt: Der Amp bleibt sehr lange clean. Erst bei sehr hohen Lautstärken, die ich normalerweise in meiner eigentlich recht laut probenden Band nie nutze, fängt der Amp an zu zerren. 

Der Basssound kann sich locker in der Band gegen eine laute Gitarre und einem noch lauteren Schlagzeug durchsetzen, m.E. sogar ein wenig straffer als der Fender Bassman 100T.

Der EBS T90 scheint insbesondere mit Output-starken Bässen zu harmonieren. Meine beiden Musicman-Bässe klingen wirklich gut mit diesem Amp, während ich den Sound mit meinem Output-schwachen Fender Roscoe Beck oder dem Warwick Starbass ein wenig gedämpfter empfinde. Hier muss man deutlich mehr Höhen betonen, damit der Sound gleichwertig erscheint.

Der DI-Out klingt ungewohnt (sehr) röhrenbetont und komprimiert. Er ist nicht pre/post EQ schaltbar (was m.E. besser wäre), liegt jedoch vor dem Volume.

Fazit

Selten hat mich ein Amp so überrascht, wie der EBS T90. Im Showroom an einer 210er angetestet fand ich ihn schon nicht schlecht. Mit meiner Lieblingskombination bestehend aus einer 410er+115er fand ich ihn sogar noch besser. Ich habe den Amp anfangs mit dieser Boxenkombination nur im Probenraum eingesetzt, später dann sogar nur an der 410er. Selbst nur mit dieser Box ist der Amp ausreichend laut und durchsetzungsfähig. Ich habe den Amp bisher bei zwei Live-Einsätzen eingesetzt und war auch hier über den sehr direkten und definierten Ton überrascht.

Schade eigentlich, dass auf eine getrennte Gain/Master Regelung verzichtet wurde, denn so könnte der Amp auch bei geringeren Lautstärken "zerrfreudig" eingesetzt werden.

Meine Skepsis gegenüber "Low-Watt"-Amps ist zumindest bei diesem Amp verflogen.

Der Neupreis eines EBS T90 zum Zeitpunkt des Erscheinens lag bei 1.400 Euro, mittlerweile werden sie für 1.200 Euro gehandelt. Gebraucht sind sie sehr selten bis gar nicht zu finden, daher ist die Nennung eines Gebrauchtpreises schwierig.

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