Nachdem ich lange Zeit nur Amps mit mehr als 200 Watt Leistung gespielt habe, "traute" ich mich mit dem
Fender Bassman 100T in die 100 Watt-Leistungsklasse. Ich habe den Amp gleichzeitig gegen einen Ashdown CTM
100 und einem Ampeg
V-4B getestet. Alle drei Amps überzeugten mich in jeder Hinsicht.
Der Bassman 100T stellt Fenders Versuch einer Neuauflage der seit langer Zeit beliebten Bassman 100 Amps
dar. Für Bassisten, die höhere Leistungen bevorzugen, bietet Fender den Super Bassman mit 300 Watt an. Etwas Später folgte für "Rücken"-geplagte Vielschlepper der Bassman
500.
Der bekannte Look der alten Bassman-Amps wurde bei dieser Neuauflage beibehalten.
Das Gehäuse besteht aus dickem Sperrholz und ist mit einem soliden und strapazierfähigem Tolex bezogen, die Kanten sind durch Metallecken geschützt, die Verarbeitung ist 1A. Mit seinen 22 kg ist
der Amp kein Leichtgewicht, wirklich schwer ist er aber auch nicht. So erleichtern ein oberseitig angeordneter Griff, besser jedoch die seitlich angebrachten Klappgriffe den Transport des
Amps.
Der Preamp des 100T wird ebenso im später vorgestellten Bassman 500 verwendet. Beide
Amps unterscheiden sich lediglich in der Art der Endstufe.
Während im aufgeräumt wirkenden Bassman 500 ein "schnödes" Endstufenmodul für die
Signalverstärkung zuständig ist, arbeiten im 100T vier Endstufenröhren des Typs 6L6 und dicke Trafos (natürlich zu Lasten des Gewichts...)
Es stehen zwei Klinkeneingänge zum Anschluss des Basses zur Verfügung. Ein Blick ins
Manual verrät, dass der mit "2" betitelte Eingang für Bässe mit höherem Output gedacht ist, da hier eine Levelabsenkung um 6dB vorgenommen wird.
Der Amp ist zweikanalig aufgebaut. Es sind ein "Vintage"-Kanal mit passivem
Equalizer (Bass, Middle, Treble) und ein Overdrive-Kanal mit aktivem Equalizer (Bass, Treble, semi-param. Middle) vorhanden.
Die Kanäle können per Schiebeschalter oder per Fußschalter gewählt werden. Ist ein
Fußschalter eingesteckt, verliert der Schiebeschalter seine Wirkung. Die Kanalwahl wird per LED angezeigt.
Beide Kanäle verfügen über per Push/Pull aktivierbare Bass- (–18dB @ 640Hz) bzw.
Höhen- (+10dB @ 6kHz) Presets, die das Klangverhalten des Amps gehörig verändern. Eine hilfreiche Ergänzung stellt die semi-param. Mittenregelung im Overdrive-EQ dar. Nach Vorwahl eines
Mittenbandes kann dieses per Levelregler hervorgehoben oder gesenkt werden (±18dB @ 200Hz bis 3,3kHz).
Was wäre ein Overdrive-Channel ohne "Overdrive"?
Mit Gain kann die Intensität des Overdrive gewählt und mit Blend zum Clean-Sound stufenlos gemischt werden. So sind leicht knuspernde Overdrive-Sounds,
aber auch kratzige Fuzz-Sounds möglich.
Wie bei den alten Bassman auch, ist durch ziehen des Master-Reglers ein
stumm-schalten des Amps möglich.
Die Rückseite des Amps ist dann nicht mehr sooo aufgeräumt, wie sie es bei den alten
Bassmännern war:
So sind die Anschlüsse für den Effektweg, für den Tuner Out und für den o.g.
Fußschalter vorhanden. Der DI-Out kann wahlweise pre oder post EQ abgegriffen werden. Der Abgriff hinter dem EQ ist vom Master abhängig. Daher wurde sinnvollerweise die Möglichkeit geschaffen,
den Level des DI-Outs nachträglich zu regeln.
Der 100T verfügt über ein Automatic Bias, welches automatisch die Ruhestromeinstellungen und den Zustand der Endstufenröhren überwacht
und ggf. anpasst. Durch verschiedene Farben wird angezeigt, ob die Röhren im zulässigen Bereich arbeiten (grün), die Werte der Röhren sich noch im zulässigen Bereich befinden (orange) oder eine (oder mehrere) Röhre(n) ersetzt werden sollten (rot)
Mittels Adjust können diese Ruhestromeinstellungen verschoben werden. In Richtung warm wird der Ruhestrom höher eingestellt. Der Sound wirkt dadurch lebendiger und deutlich
direkter als in der gegensätzlichen Einstellung cool.
Für den Anschluss der Boxen stehen zwei Klinken-Anschlüsse zur Verfügung. Die
Impedanzen können per Schiebeschalter zwischen 2, 4 oder 8 Ohm gewählt werden (nur im Off oder Standby-Modus!). Die Ausgangsleistung des Amps kann ebenfalls per Schiebeschalter zwischen 100 Watt
und 25 Watt eingestellt werden. LEDs zeigen zusätzlich die gewählte Output
Power an.
Über eine kleine Besonderheit verfügt der Bassman: Er kann im Silent Record Modus betrieben werden. Ist dieser Betriebszustand gewählt, müssen (bei Röhrenamps eher
unüblich) keine Boxen angeschlossen sein.
Ich mag den Sound der alten Bassman-Amps sehr. Umso mehr hat es mich gefreut, dass
Fender es mit dem Bassman 100T geschafft hat, den Sound ziemlich identisch in einen neuen Amp mit modernen Features zu verpacken.
Der Vintage-Kanal liefert mit seinen 3 EQ-Bändern den gewohnten typischen
Bassman-"one-tone-wonder"-Sound. Bauchig, rund mit tiefem Fundament und luftigen Höhen. Das schaltbare Bass-Preset legt noch ein wenig Fundament nach und rundet den Sound m.E. noch ein wenig mehr
Richtung "old-school-Bassman" ab. Zumindest habe ich dieses Preset dauerhaft aktiviert, um einen tiefen aber dennoch präsenten Sound zu erhalten.
Der Overdrive-Channel ist ein wenig anders gestaltet und bietet ein paar mehr
Eingriffsmöglichkeiten in das Sound-Geschehen. Der Equalizer ist aktiv, arbeitet somit anders als der passive EQ des Vintage-Kanals. Die semi-param. Mitten-Regelung kann den Sound ordentlich
verbiegen und stellt eine wertvolle Hilfe bei der Einstellung des gewünschten Sounds dar. Insgesamt wirkt der Overdrive-Channel ein wenig "luftiger" und ist deutlich leichter zu händeln.
Natürlich kann man den Overdrive-Channel auch hervorragend für Clean-Sounds nutzen. Da er mehr und schnellere Einstellungsmöglichkeiten als der Vintage-Kanal bietet, nutze ich ihn
hauptsächlich.
Der Bassman 100T beherrscht Cleansounds ebenso gut wie Overdrive-Sounds. Der Grad
der Verzerrung kann über weite Regelwege von "leicht crunchig" bis "fuzzig" gut dosiert werden. Durch das Mischen zum Cleansound bleibt das Bass-Fundament weitestgehend erhalten. Im Gegensatz zum
zum Bassman 500 klingt er jedoch ´ne Spur sanfter, bei höheren Zerrgraden setzen sich die Höhen weniger in den Vordergund. Der Sound wirkt dadurch ein wenig druckvoller.
Mit seinen 100 Watt kann der Amp auch im cleanen Bereich sehr "laut" werden und sich
in einer lauten Kapelle locker durchsetzen. Die warm oder cool-Presets des Automatic Bias machen sich besonders dann bemerkbar, wenn der Amp mit höheren
Master-Einstellungen betrieben wird. Im "wärmeren" Bereich wirkt der Sound dann stets ein wenig "angespannt", während er im "kühleren" Bereich "entspannt" wirkt. Aber wie schon geschrieben, im
"Normal-lauten"-Bereich finde ich die klanglichen Unterschiede jetzt nicht sooo gravierend.
Der Fender Bassman 100T stellt für mich eine gelungene Neuauflage der nach wie vor
beliebten und bewährten Bassman Amps dar. Im Grundklang liegen sie nah beieinander, jedoch verfügt der "Neue" über ein paar mehr Finessen als seine alten Kollegen.
Ein wenig beunruhigend finde ich Berichte in mehreren Foren über defekte Automatic
Bias-Systeme, die bis zum Totalausfall des Amps führen können. Ich hoffe, dass Fender dieses Problem schnell lokalisiert und behebt, denn es wäre schade, wenn der positive Eindruck des m.E.
gelungenen Amps dadurch geschmälert wird.