Gallien Krueger hat es geschafft, mit seinen Amps einen gewissen Kultstatus zu erreichen. Insbesondere der 400RB sowie der 800RB genießen einen sehr guten Ruf und sind bis heute, auch nach über
30 Jahren, auf den Gebrauchtmärkten gefragte Objekte. Beide Amps haben dazu beigetragen, den typischen Gallien Krueger Sound zu etablieren.
Anders als die o.g. Amps hat es der 1200SEB hingegen nicht geschafft, sich auf dem Markt zu behaupten.
Bemerkenswert ist, dass das Verstärkerkonzept anders als GK-üblich, nicht auf dem Class H Konzept beruht, sondern quasi ein Vorläufer des heutigen allgegenwärtigen Class D Prinzips darstellt.
Diese Amps wurden als Head-Version (1200SEB) und als Combo (1200CEB) nur für sehr kurze Zeit hergestellt und verkauft, bevor sie relativ unbeobachtet wieder verschwanden.
Ausgänge: Balanced Line (Klinke, XLR), Speaker Out (Klinke), Direct Out (XLR), Headphone
Konzept
Das schlichte und kantige Amp-Design scheint als Wiedererkennungswert herhalten zu müssen, es zieht sich bis heute durch sämtliche GK-Produktlinien durch.
Als Gehäuse-Material wurde stabiles Stahlblech verwendet, welches diesen kompakt wirkenden Amp absolut roadtauglich erscheinen lässt. Wie bei allen mir bekannten GK-Amps der älteren Generation
beweist auch der 1200SEB, dass ein fast 30 Jahre alter Amp trotz deutlicher Einsatzspuren technisch 100%ig in Ordnung sein kann.
Große Gummifüße auf der Unterseite verleihen dem Leichtgewicht Halt auf einer Box, kleinere Gummifüße sind auf einer Stirnseite vorhanden, so dass der Amp auch hochkant abgestellt werden kann.
Ein kleiner Griff auf der gegenüber liegenden Seite erleichtert den Transport ungemein, zumal der Amp mit knappen 5 kg mit heutigen s.g. Micro-Amps in einer Gewichtsklasse spielt.
Im Gegensatz zum aufgeräumt wirkenden Inneren der alten 400er bzw. 800er werkeln im 1200SEB ein paar mehr Bauteile:
Sämtliche Bauteile wurden auf einer großen Platine angeordnet, einzelne Baugruppen werden durch Bleche voneinander abgeschirmt. Auf eine aktive Kühlung wurde verzichtet, auch bei diesem Amp setzt
man auf eine passive Kühlung und Ableitung der Wärme durch Kühlrippen.
Die Anordnung der frontseitigen Bedienelemente ähnelt sehr dem 200RCB:
Der Bass wird am linksseitigen Klinkeneingang eingestöpselt. Der verschieden hohe Input von aktiven oder passiven Bässen kann per Druckschalter um 10dB abgesenkt werden, die weitere
Eingangsempfindlichkeit wird mit Volume geregelt.
Ein per Druckschalter aktivierbarer onBoard-Kompressor fängt allzu heftige Pegelspitzen ab. Erfreulich ist die Arbeitsweise dieses "Limiters": Die Pegelspitzen werden nicht abrupt gekappt,
sondern nur weich beschnitten.
Als erstes wichtiges Werkzeug zur Klangformung können die drei zur Verfügung stehende und per Druckschalter aktivierbare
Presets LoCut, MidContour und HiBoost gewählt werden.
LoCut beschneidet deutlich hörbar den Tiefbassanteil. Dies kann manchmal bei Probenräumen oder Gigs mit schwierigen akustischen Verhältnissen DIE Lösung darstellen: das tieffrequente Wummern wird
verhindert, der Amp gewinnt deutlich an Durchsetzungskraft. Allerdings könnte in einigen Fällen genau das gewünschte "dicke" Bassfundament zu sehr beschnitten werden.
MidContour macht genau das, was viele andere anders betitelte und beliebte Presets an anderen Amps auch machen: Die Mitten werden deutlich abgesenkt (bei ca. 500 Hz), der typische Badewannensound
entsteht.
HiBoost drängt sich für meinen Geschmack zu sehr in den Vordergrund und der Sound wirkt schnell zu knallig und spitz. Gerade bei der Verwendung meiner Music Man Bässe klingt es dann schnell
"übertrieben"...
Die Bänder des Equalizers sind wie folgt aufgeteilt:
Bass ( @ 60Hz),
LoMid ( @ 250Hz)
HiMid ( @ 1 kHz)
Treble ( @ 4 kHz)
Der schaltbare onBoard-Chorus sucht seinesgleichen. Die Geschwindigkeit des Effekts wird mit Rate stufenlos eingestellt, die Weite des Effekt mit Depth. Die
Regelweite beider Parameter ist nur sehr gering, großartige Auswirkungen sind damit nicht möglich, der Chorus klingt erstaunlich "fett" und schön weich.
Der onBoard-Kompressor und Chorus lassen sich (im Gegensatz zum 200RCB Series I) auch per Fußschalter aktivieren.
Ein Headphone Out bietet die Möglichkeit, den Amp auch in der Nacht und bei wenig verständnisvollen Nachbarn zu nutzen.
Auf der Rückseite des Amps befinden sich die XLR-Anschlüsse für einen DI-Out (pre EQ/Chorus/Kompressor/FX-Loop), einen Stereo Balanced-LineOut (Abgriff post EQ/Kompressor/Chorus/FX-Loop - pre
Master)sowie In/Out des Effektweges.
Eine Box kann per Klinke (min. Load 4 Ohm) angeschlossen werden.
Sound
Erstaunlich Nebengeräusch-arm und ohne diesen typischen GK-Einschalt-Plopp werkelt das Teil trotz seines hohen Alters und der deutlichen Gebrauchsspuren vor sich hin.
Der 1200SEB klingt relativ weich, kratzige Mitten sind zumindest in der EQ-Neutralstellung nicht vorhanden. Mit knappen 200 Watt (an 4 Ohm) ist der Amp verdammt laut und weiß sich im
Bandkontext durchzusetzen.
Das Contour-Preset verpasst dem Sound ´ne ordentliche Schippe Bässe, ohne diese zu überzeichnen. Der Equalizer ist geschmackvoll abgestimmt, wie jedoch schon bemerkt, sind die Regelwege recht
knackig gehalten. Gerade das 60 Hz-Band sollte mit Bedacht geregelt werden, denn sonst könnte es ein wenig zu viel mit dem "Bassfundament" werden...
Das Hi-Boost Preset finde ich ein wenig übertrieben abgestimmt, mir werden dabei zu viele Höhen zu deutlich in den Vordergrund gestellt. Da bemühe ich bei fehlenden Höhen lieber den Equalizer.
Der Kompressor greift recht zahm in das Klanggeschehen ein, wirklich brauchbar finde ich den nicht. Deutlich besser finde ich den Chorus. Der klingt unglaublich schwebend, ohne dabei wie viele
andere Chorus-Pedale künstlich zu klingen und ohne den berüchtigten (Bass-)Frequenzklau zu begehen. Die Greifweite der Parameter des Chorus sind eher bescheiden, großartige
Effektveränderungen sollte man nicht erwarten. Rate und Depth auf "Anschlag rechts" bewirken jetzt nicht, dass ein "übermächtiger" Chorussound entsteht, der ohnehin gut klingende Chorus platziert
sich nur ein wenig fester.