Marshall VBA 400

Vor ein paar Jahren habe ich schon mal einen VBA400 besessen. Ich habe mir ihn (gebraucht) gekauft und war ziemlich enttäuscht, weil er 1.) nicht zerren wollte/konnte und mir 2.) viiiel zu OldSchool-mäßig klang. Ich habe mir einen etwas anderen Klang versprochen, den der Amp aber einfach nicht geboten hat. Also wurde der Amp kurzerhand einfach wieder (gewinnbringend) verkauft.
Als mir vor kurzem erneut ein VBA400 zu einem unverschämt niedrigen Preis angeboten wurde, musste ich einfach zuschlagen. Sehr skeptisch habe ich diesen Boliden mit zum Probenraum geschleppt, denn in meinem Erinnerungen ist dieser Amp ja nicht so dolle gewesen...

Mittlerweile bin ich erfahrungsmäßig ein paar Vollröhrenamps weiter und meine Soundvorstellungen haben sich ein wenig geändert. Mittlerweile bevorzuge ich einen dicken, bauchigen Sound, der allerdings stets clean bleiben sollte. Um so mehr war ich überrascht, dass der Marshall Amp nun ganz gut zu genau diesen Vorstellungen passte.

Übersicht

  • Bauform: Verstärker im Holzcase
  • Technik: Röhre
  • Maße: 660 x 260 x 325 mm (Breite x Höhe x Tiefe)
  • Gewicht: 35 kg
  • Röhrenbestückung: 8 x 6550, 3 x 12AX7, 1 x AU7
  • Leistung: 400 Watt an 2 o. 4 Ohm
  • Eingänge: Klinke (aktiv) Klinke (passiv)
  • Ausgänge: Speaker (Klinke), FX Send/Return (Klinke), DI-Out (XLR), Tuner
  • Klangregelung: Bass, Mitten, Höhen, Deep/Bright Preset, Contour
  • Effektweg: 1x mono seriell

Konzept

Der Marshall VBA400 ist erwartungsgemäß ein recht schwerer Klotz. Mit knappen 35 kg liegt er gewichtsmäßig weeeit über dem Gewicht "moderner" Leichtgewichte aka Genz Benz Streamliner o.ä.. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass man das eine oder andere Kilogramm durch die Verwendung von Ringkerntransformatoren gespart hat, hätte es noch schlimmer kommen können.
Der Amp kommt jedoch in kompakt erscheinenden äußeren Abmaßen daher. Mein Fender Bassman kommt mit einer Tiefe von 40 cm daher, da erscheinen die 32 cm Tiefe des VBA richtig "mickrig". Zumindest wird der Amp dadurch transportabler. Unterstützt durch die seitlich angebrachten sehr stabilen Klappgriffe ist ein Transport dieses Amps deutlich angenehmer als der Transport des Fender Amps.
Das Holzcase ist mit einem widerstandsfähigen Tolex bezogen, welches absolut roadtauglich erscheint. Die Ecken des Gehäuses sind mit Plastikabdeckungen gegen Stöße geschützt.


Die Bedienung des Amps ist nun wirklich sehr übersichtlich gehalten. Anders als bei den meisten anderen Amps befinden sich die Instrumenteneingänge jedoch hier auf der rechten Seite des Frontpanels.


Für den Anschluss eines Basses stehen getrennte Klinkeneingänge für aktive und passive Bässe zur Verfügung. Zur Anpassung der Eingangsempfindlichkeit und zur Aussteuerung des Eingangssignals steht ein Gain-Regler zur Verfügung. Der Amp kann mittels Drucktaster stumm geschaltet werden. Amrückseitigen Tuner-Out liegt trotzdem ein Signal an.
Der Abgriff des ebenfalls rückseitig angebrachten DI-Out kann per Druckschalter Pre- oder Post EQ (aber vor Deep/Bright) gewählt werden.



Die Klangregelung des Marshall VBA400 umfasst lediglich den Bass-, Mitten- und Höhenbereich. Die Frequenzbereiche wurden gut getroffen, so dass man sehr gut schnell den treffenden Sound einstellen kann.
"Contour Select" ist ein dreistufiger Preset-Wahlschalter mit folgenden Auswirkungen:

Contour 1: leicht zurückgenommene Bässe, Tiefmitten gedämpft, Höhen leicht betont.
Contour 2: Tiefmitten betont, Höhen leicht zurückgestellt
Contour 3: Mitten werden betont



Sehr wirkungsvoll sind das Deep und das Bright Preset, welche per Druckschalter aktiviert werden können.

Die Rückseite...


So übersichtlich wie die Vorderseite präsentiert sich auch die Rückseite des Amps. Ein vom vorderseitigen Mute unabhängiger Tuner Out sowie die Anschlüsse für den seriellen Effektweg sind hier vorhanden.
Zum Anschluss von Boxen stehen hier jedoch nur Klinkenausgänge zur Verfügung. Speakon wäre bei der Leistung des Amps besser, jedoch greifen die Klinkenbuchsen "beherzt" zu. Die Gesamtimpedanz der angeschlossenen Boxen kann zwischen 2 und 4 Ohm per Schiebeschalter eingestellt werden.
Im VBA400 werkelt ein Radiallüfter zur Kühlung des Gehäuse-Inneren. Mit einem Schiebeschalter kann zwischen schneller und noch schnellerer Geschwindigkeit des Lüfters gewählt werden. In der "High" Position ist der Lüfter deutlich zu hören, selbts in der "Low" Position dreht sich der Lüfter zwar deutlich langsamer, zu hören ist er dennoch deutlich.

Sound

Viel kann ich zum Sound eigentlich nicht schreiben: Der Amp bietet einen amtlichen, ziemlich pfundigen Basssound.
Die Contour-Schaltung arbeitet jetzt nicht deutlich, wie man es von anderen Amps kennt. Die Unterschiede zwischen den Presets liegen nicht sehr weit auseinander, jedoch hört man gut, in welche Richtung es gehen soll. Anfangs fand ich den Sound etwas zu basslastig, durch die Verwendung des Bright-Presets und der Contour-Stellung 1 rückt der Sound aber deutlich mehr in die Mitten mit glasklaren Höhen. Der erdige Bassbereich bleibt natürlich erhalten, wird aber nie wummerig oder zu überpresent.
Der 3-Band Equalizer erlaubt gute Eingriffe in die Soundgestaltung, einzig das Höhenband könnte etwas mehr eingreifen.
Man merkt zu jeder Zeit, dass der Amp ordentlich Leistungsreserven bereit hält. So würde ich jedem empfehlen, diesen Amp nur an Boxen zu betreiben, die auch die enorme Leistung des Amps verkraften.
Freunde brachialer Zerrsounds werden keine Freude am VBA400 haben, der Sound bleibt nahezu stets clean.

Fazit

Es ist schon komisch, dass mir dieser Amp nach ein paar Jahren doch richtig gut gefällt. Ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Soundvorstellungen durchaus schnell ändern können. Obwohl ich bereits ein paar sehr gute Röhrenamps besitze (und auch oft einsetze) hat sich der Marshall VBA400 schnell zu einem oft eingesetzten Amp "gemausert". Ich schätze seine spartanische Ausstattung, die völlig zweckdienlich und ausreichend ist und nicht dazu verführt, sich in Soundtüfteleien zu verlieren.

Ein kleines (aus optischen Gründen) "aber":

Der Lüfterstrom ist von der Vorderseite zur Rückseite des Amps gerichtet. Somit wird durch die Frontabdeckung Luft angesaugt und mit der Luft zwangsläufig auch Staub. Dieser setzt sich in der Frontbespannung ab und hinterlässt unschöne Streifen auf dieser:


Einfaches abwischen bringt hier nicht viel, da sich der Staub recht tief in der Frontbespannung festsetzt...

Was man noch bedenken sollte:
Im VBA werkeln neben vier (relativ kostengünstigen) Vorstufenröhren acht (!) Endstufenröhren des Typs 6550. Ein Endstufenröhrenwechsel kann recht teuer werden, zumal hier zwei gematchte Quartette benötigt werden. Ein matched Quartett kann, je nach Marke, locker um die 100...150 Euro kosten. Zudem müssen die Röhren eingemessen werden. Der VBA400 bietet keine servicefreundliche von außen zugängliche BIAS-Abgriffe, so dass ein Laie hier nun wirklich nicht zu Werke gehen sollte...

Ein neuer Marshall VBA400 kostet ca. 1800 Euro. Gebraucht sind sie zwar selten, dafür dann aber relativ günstig für 650-850 Euro zu bekommen.

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