Line6 Relay G50

Obwohl wir i.d.R. eigentlich nur auf kleineren Bühnen spielen und ich nicht gerade umherspringe wie z.B. Flea, wollte ich die Freiheiten genießen, die ein Wireless System bieten kann. Zu diesem Zweck habe ich mir vor ca. drei Jahren das T.Bone TWS16PT gekauft. Anfangs seeehr skeptisch, man kann ja immer wieder von Soundeinbußen, Aussetzern etc. lesen, war ich doch sehr überrascht, was dieses System für relativ kleines Geld bietet. Ok, m.E. geringe Soundeinbußen und ein gewissen Grundrauschen konnte ich bemerken, jedoch gewöhnte ich mich schnell daran. Das Gerät funktionierte auch tadellos und ließ mich nie im Stich. 

Im Zuge meiner "Back to the Roots"-Phase, in der ich auf jeglichen "neumodischen" Schnick-Schnack verzichten wollte, kramte ich wieder mein gutes altes Klotz-Kabel hervor und spielte den Bass direkt in den Amp. Welch Überraschung!: Der Sound war irgendwie "brillianter", viel "detailreicher" und klarer. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie mein Sound u.a. durch die Funke beeinträchtigt wurde.

Durch etliche Berichte wurde ich auf die Line6 Relay Reihe aufmerksam, die eine absolut neutrale Klangwiedergabe versprachen. Neugierig geworden, bestellte ich ein Relay G50. Eigentlich wollte ich es nur ausführlich testen...

Lieferumfang

  • Empfänger TBP12 (auch separat erhältlich)
  • Sender (auch separat erhältlich)
  • Verbindungskabel (Sender-Instrument)
  • Netzteil
  • Manual (u.a. deutsch)

Konzept

Das Relay G50 ist ein s.g. digitales Funksystem, welches im Bereich von 2.4 GHz arbeitet. Hierbei handelt es sich um die weiterhin (noch) genehmigungsfreien Frequenzbereiche, die z.B. auch von üblichen WLAN-Systemen genutzt werden.
Die Homepage des Herstellers verspricht einen möglichen Dynamikumfang von 120 dB und einen Frequenzgang von 10 Hz - 20 kHz. Die Reichweite soll bis zu 60 m betragen ("je nach örtlichen Gegebenheiten").


Der Empfänger:

Der Empfänger ist etwas größer als das "normale" Boss-Pedal Format und aus Metall gefertigt. Die Seitenflächen sind gummiert. Er bietet obenseitig die Möglichkeit per Drehschalter zwischen 12 Kanälen zu wählen, was wichtig bei der gleichzeitigen Verwendung von digitalen Funken ist. Ein weiterer Drehschalter bietet die Möglichkeit, die Beeinflussung des Sounds durch verschieden lange Kabel zu simulieren. 
Verschiedene LEDs zeigen die Bereitschaft des Gerätes, den Empfang von Audiosignalen (vom Sender...), die Empfangsstärke und den Batteriezustand an.

Linksseitig befinden sich zwei Klinkenbuchsen (1/4") für den "Main Out" und "Tuner Out".

Rechtsseitig werden zwei ca. 20 cm lange Antennen angeschlossen.

Der Empfänger kann mit dem beigelegten Netzteil oder anderen herkömmlichen Netzteilen (9 Volt, Minus innen) betrieben werden. Laut Aufschrift sind jedoch 300 mA erforderlich, womit manch kleinere Netzteile, die auch noch weitere Effekte betreiben, überfordert sein könnten.


Der Sender:

Der Sender ist in etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel. Aus welchem Material er gefertigt wurde, vermag ich nicht eindeutig zu sagen. M.E. besteht das Gehäuse aus Polykarbonat. Die Homepage des Herstellers gibt nur zum Material des Empfängers Auskunft. Auf alle Fälle macht der Sender einen sehr stabilen und robusten Eindruck. Die seitlichen Flächen sind ebenfalls gummiert, so dass der Sender gut und sicher in der Hand liegt.

Durch zwei Taster können verschiedenste Einstellungen (Kanalwahl, sonst. Einstellungen) vorgenommen werden. Das vorhandene Display zeigt den gewählten Kanal, die Stummschaltung und die "Batterielaufzeit" als Restzeit und als Symbol an. Durch Betätigung einer der beiden Tasten wird die Displaybeleuchtung aktiviert, welche sich nach kurzer Zeit wieder deaktiviert.

Der Gürtelclip macht einen sehr stabilen Eindruck. Er "packt" fest zu, so dass der Sender auch bei stärkeren Bewegungen vertrauensvoll am Gürtel, Gurt etc. verbleibt.

Die Batteriefachabdeckung kann per Schiebeknopf verriegelt werden. Sie ist recht wackelig, wirkt aber stabil. Wie schon beim G30 Sender passen hier nicht alle Akkus in den Schacht. Handelsübliche AA-Batterien passen sehr gut, jedoch ist der Durchmesser der meisten Akkus ein wenig größer. Sie passen nur sehr stramm in den Batterieschacht und lassen sich dann nur noch sehr schwer entfernen. Ich verwende Varta Charge&Go Akkus, welche zwar straff aber noch leichtgängig genug passen.

Oben befinden sich ein Mute-Taster und ein On-Off Schieber. Der Ladezustand der Batterien wird durch eine LED angezeigt: Blau bedeutet "100 %", Rot bedeutet "50 %" und rot blinkend bedeutet "nahe 0 %". Eine weitere LED zeigt, ob ein Audiosignal vom angeschlossenen Instrument anliegt.

Praxis

Ich habe mich für das etwas teurere G50 entschieden, weil es mit ein wenig mehr Ausstattung als das kleinere G30 lockte. Die Verarbeitung soll ein wenig mehr roadtauglicher sein und eine größere Reichweite versprach es auch noch. (Die Rackversion (G90) war mir dann doch etwas zu teuer...)
Ich habe den Empfänger auf meinem Effekt-Board platziert. Die seitlichen Antennen empfinde ich als etwas störend, jedoch kann man ohne große Klang- oder Empfangseinbußen auf kürzerer Distanz auch auf diese verzichten. Das mitgelieferte Netzteil verwende ich nicht. Stattdessen habe ich den Empfanger an mein bereits vorhandenes Ollmann-NT angeschlossen. Die Regler sind leichtgängig und rasten deutlich bei Änderung ein. Durch die etwas vertiefte Anbringung sind sie ausreichend gegen eventuelle unbeabsichtigte "Fußtritte" gesichert, jedoch nicht 100%ig sicher. Die LED sind bei normalen Lichtverhältnissen gut zu erkennen.
Der Empfänger besitzt keinen An-/Ausschalter und ist bei anliegender Spannung aktiv.
Wird der Sender eingeschaltet wird innerhalb kürzester Zeit (bei gleicher Kanaleinstellung...) eine Verbindung zum Empfänger aufgebaut. und durch die LEDs am Empfänger signalisiert. Bei "frischen" Akkus wird eine Restlaufzeit von ca. 8:30 Stunden angezeigt, welche jedoch nach kurzer Zeit rapide abnimmt und mit ca. 5-6 Stunden einen reellen Wert annimmt.

Sehr überrascht war ich von der Soundqualität. Ich habe einen ganzen Tag verschiedene Bässe und Amps getestet und einen "mit Funke" / "ohne Funke" Vergleich gemacht. In meinen Ohren ist kein großartiger Unterschied festzustellen. Die Instrumente (ausschließlich 5-Saiter) werden ohne jegliche Färbung und ohne Probleme wiedergegeben. M.E. werden die Höhen ein wenig mehr hervorgehoben, es mag aber auch Einbildung sein. Kurzum: Ich bin begeistert und die anfängliche Skepsis ist verflogen. Nebengeräusche (Rauschen, Knistern etc.) sind nicht zu vernehmen. 
Der Empfang ist auch bei längeren Distanzen super und ohne Aussetzer. Auch mehrere Decken, Wände und Türen konnten die Soundqualität nicht merklich mindern.

Durch die Simulierung eines verschieden langen Kabels werden die Höhen unterschiedlich stark beschnitten. Nicht so, dass es "mumpfig" wird, aber doch schon so, dass man es bemerkt. Es ist ein netter Gimmick, ich brauche es jedoch nicht, da mir der glasklare Klang sehr gefällt, und demzufolge steht der Regler bei mir auf "0".

Das mitgelieferte Adapterkabel (Klinke - TA4F) zum Anschluss eines Instruments ist m.E. ein klein wenig zu kurz geraten. Ersatzkabel sind u.a. von Shure erhältlich.

Der Sender bietet die Möglichkeit, zwischen den Einstellungen "Lo" und "Hi" zu wechseln. Mittels der "Lo" Einstellung wird eine längere Akkulaufzeit durch Herabsetzen der Sendestärke erreicht. Im Probenraum und auf kleinen Bühnen ist diese Einstellung völlig ausreichend und man erreicht eine ca. zwei bis drei Stunden längere Akkulaufzeit. Jedoch sollten dann auch die Antennen am Empfänger (siehe oben) angebracht sein, da es sonst zu Aussetzern kommen kann. Die Akkulaufzeit wird zuverlässig im Display des Senders und durch farbige LEDs angezeigt.

Ich hätte mir zudem einen digitalen Ausgang am Empfänger gewünscht, da einige (Rack-) Effekte digital arbeiten und auch einen digitalen Eingang bieten.

Fazit

Dank des Relay G50 bin ich wieder zum Wireless-Spieler geworden. Es bietet eine sehr gute Übertragung ohne Nebengeräusche und ohne Färbung auch auf größeren Distanzen. Es ist sehr gut und wertig verarbeitet. Die Regler des Empfängers könnten einen stabileren Eindruck machen und die Antennen könnten bei der Platzierung des Empfängers auf dem Board doch durch unbeabsichtigte "Fehltritte" beschädigt werden.
Durch die Übertragung im 2.4 GHz Bereich ist das Gerät zudem zukunftsweisender als die bisher herkömmlichen "analogen" Funken.

Nachtrag

Fast auf den Tag genau sind jetzt drei Jahre seit Erstellung des Reviews vergangen. Seit ich mir das G50 gekauft habe, spiele ich fast ausschließlich darüber. Sei es im Probenraum, wo es ein kurzes Instrumentenkabel auch getan hätte, oder bei Live-Gigs. Hier ein paar Langzeit-Eindrücke:

Ich bin jetzt nicht sonderlich sorgsam mit dem Sender umgegangen, habe ihn aber auch nicht gerade unachtsam durch die Gegend geworfen. Mit dem Bild möchte ich einfach mal den "Unterschied" zwischen einem nagelneuen Sender und meinem drei Jahre alten Sender zeigen. Lediglich die aufgedruckte Beschriftung hat ein wenig gelitten, das stabile gefertigte Gehäuse weist keine Macken o.ä. auf und hat auch den ein oder anderen Sturz "überlebt".
Selbst die anfangs recht wacklig empfundene Batteriefachabdeckung hält bis heute anstandslos.

In einigen Berichten kann man lesen, dass manche User mit anderen Akku-Marken Probleme hatten. Sie passten nur recht eng in den Schacht und ließen sich dadurch auch nur recht schwer wieder entnehmen. Ich verwende fast ausschließlich "Varta 15minute Charge & Go" Akkus:

Akkus haben m.E. einen entscheidenen Nachteil gegenüber herkömmlichen Batterien: Sie mögen einfach keine kalte Umgebung. Trotz "frischer Aufladung" bauen sich die Akkus sehr schnell ab. Dies kann bei Open Air Einsätzen in der kalten Jahreszeit zu ungewollt peinlichen Momenten führen. Der Sender sowie der Empfänger verfügen über eine Ladezustandsanzeige. Bei o.g. kalten Umgebungstemperaturen kann es jedoch passieren, dass ein "100% geladen" Zustand innerhalb von 10 min zu "Akku leer" führt... Normalerweise hält eine Akku-Ladung ca. 6 Stunden durch. Handelsübliche Batterien halten i.d.R. ca. 8-9 Stunden.

Den Empfänger habe ich seither auf meinem Effektboard platziert:

Die Antennen lasse ich immer abgewinkelt. Trotzdem habe ich bisher nie über Verbindungsabbrüche / Aussetzer verzeichnen können. Ok, ich muss dazu sagen, dass ich jetzt keine großen Wanderungen auf der Bühne vollziehe und mich nur beim Soundcheck etwas weiter vom Empfänger weg positioniere. Aber auch dann kam es bisher nie zu irgendwelchen Aussetzern.

Hin und wieder wird über Probleme mit der Mini-XLR Buchse berichtet. Diese scheint nicht für ein häufiges Wechseln des Steckers ausgelegt zu sein, so dass die Arretierung des Steckers schnell versagen kann. Dies kann zu störenden Knackgeräuschen bis hin zum Totalausfall durch Lösen der Verbindung führen. Ärgerlich...
Abhilfe kann der Austausch der originalen Plastik-Buchse gegen eine höherwertige Buchse schaffen. Hierzu stellt MB-User Wil_Ryker eine sehr gute Reparaturanleitung zur Verfügung. Ich kann nicht über diese Probleme berichten, da ich die Verbindung zwischen Kabel und Sender nie löse...