Als ich ins Bassisten-Lager wechselte, drückte man mir einen Stingray 5 in die Hand. Seither bin ich dieser Marke verbunden. Ich habe durchaus viele andere Bässe besessen und getestet, letztendlich blieb ich jedoch bei dem Musicmännern. So fand ich es höchst erfreulich, dass zur NAMM 2016 zwei neue Bassmodelle angekündigt wurden. Immerhin lagen die letzten Neuerungen im Music Man Bass-Katalog (Big Al und Reflex) ganze 7 Jahre zurück. Im Gegensatz zu anderen Herstellern, die immer wieder einen Neuaufguss bekannter Modelle vermarkten, ging Music Man immer wieder mal das Risiko ein, komplett neue Modelle zu entwickeln. Natürlich ist man gewissen Marken-typischen Kennzeichen, wie z.B. den fetten Humbuckern oder der aktiven Elektronik, treu geblieben. Man wagte sich auch an ganz neue und tlw. recht gewagte Designs. So wird der Bongo bis heute oftmals argwöhnisch beäugt. Entweder man liebt ihn oder halt nicht.
Innovativ finde ich z.B. das Schaltungskonzept der Big Al/Reflex Bässe bis hin zum Gamechanger. Dementsprechend groß war meine Neugier, als die ersten Details zu den neuen Bässen bekannt wurden. Na ja, wie schreibe ich es vorsichtig? Ich war enttäuscht. Vorgestellt wurde eine x-te Precision-Kopie (Cutlass) und einen Bass irgendwo zwischen Precision und Jazz-Bass (Caprice).
Ich erinnerte mich jedoch an meine anfängliche Skepsis dem Bongo gegenüber. Zählt dieser doch zu meinen derzeitigen Favoriten und am öftesten gespielten Bässen. Music Man wäre nicht Music Man, würden sie trotz der optischen Ähnlichkeit nicht etwas ganz eigenes entwickeln.
Der Bass wird in einem passgenauen Music Man Kunststoffkoffer geliefert. Ich habe es nicht anders erwartet: Die Verarbeitungsqualität des Basses ist 1A. Fehlerfreie Hochglanzlackierung, nichts wackelt, vibriert oder wurde schief verschraubt.
Der aus Erle bestehende Body wurde in Anlehnung an einem Jazz-Bass konturiert, besitzt aber deutlich schmalere Abmaße als dieser. Dadurch wirkt der Body "in natura" angenehm zierlich. So erklärt sich wohl auch das vergleichsweise geringe Gewicht von knappen 3,7 kg.
Der abgerundete und zu den Kanten hin flach auslaufende Body erlaubt eine bequeme Spielhaltung, ein etwaiger Bauchansatz des Spielers wird (in gewissen Grenzen) durch ein innenseitiges Shaping berücksichtigt... :)
Der grazil gewählte Body bietet jedoch nicht ausreichend Gegengewicht zum Hals/Head des Basses. So ist eine leichte Kopflastigkeit zu bemerken.
Music Man bietet den Caprice in 6 Finish-Variationen an: Classic Natural, Ivory White, Coral Red, Black, Heritage Tobacco Burst und halt wie diesen hier in Diamond Blue.
Der fünffach mit dem Body verschraubte Hals des Caprice besteht aus Ahorn, das Griffbrett wahlweise aus Ahorn oder Palisander. Die Halsrückseite wurde hauchdünn seidenmatt lackiert, die Handhabung ist ein Traum! Wie immer hat es Music Man auch hier verstanden, die Profilmaße so zu wählen, dass der Basshals super in der Hand liegt und sich auch dementsprechend gut spielt.
Im Vergleich zur Kopfplatte eines 4-Saiter Stingrays, hat man beim Caprice größere Abmaße gewählt. Die Kopfplatte wirkt dadurch irgendwie sehr groß. Tuner mit offener Mechanik aus dem Hause Schaller sorgen in der typischen 3:1 Anordnung für die richtige "Stimmung":
Selbst die beim Caprice und beim Cutlass verwendete Brücke unterstreicht den "back to the roots"-Charakter, den beide Bässe optisch vermitteln:
An der Halsposition wurde ein zweiteiliger "Offset"-Humbucker positioniert. Ein zusätzlicher "Inline"-Humbucker wird als Bridge-PU verwendet.
Music Man untypisch ist der Verzicht auf eine aktive Elektronik, die nicht unerheblich zum typischen Music Man Sound beigetragen hat. Der Caprice verfügt über keine aktive Elektronik, sondern liefert rein passiv "Level".
Jeweils mit einem Poti kann die Lautstärke beider Pickups getrennt geregelt werden, ein weiteres Poti dient als Tone-Blende zum Absenken der Höhen.
Zugegeben: Ich bin sehr fixiert auf den typischen sehr vordergründigen Music Man Sound, den meine anderen Bässe aus San Luis Obispo liefern. Ich habe mich im Laufe der Jahre auch durch das Angebot anderer etablierter Hersteller getestet, um auch andere Sounds kennen zu lernen und im Bandgefüge zu spielen. Ich bin aber immer wieder zu meinen geliebten Musicmännern zurück gekehrt.
Der Caprice hat mich überrascht. Passiv? Split Coil? Ich war skeptisch. Jedoch ausgepackt, angeschlossen, gestimmt und nachdem ich ein paar Töne gespielt habe, war die Skepsis verflogen. Der Bass hat "was". Er klingt nicht wie ein Preci, auch nicht wie ein Jazz Bass aber halt auch nicht wie ein Stingray. Im Sound liegt immer ein gewisses "knurren", was wiederum auf Music Man schließen lässt. Spielt man die jeweiligen Pickups solo, lässt der Bass deutlich erahnen, wie es klingen soll.
Der Output ist im Vergleich zu anderen passiven Bässen recht hoch. Spielt man beide PUs, klingt der Bass sehr detailiert und wie seine aktiv verstärkten Kollegen recht vordergründig.
Spielt man den Neck PU solo, kommt der typische Preci-Knack zur Geltung. Mittenreich und mit einer kräftigen Portion Bass klingt der Caprice. Der Bridge PU liefert das typische Jazz-Bass-näseln. Erstaunlich ist der Level, den der Neck PU liefert. Viele andere Bässe gleicher oder ähnicher PU-Konfiguration neigen bei Wahl des Bridge-PU-Solo dazu, deutlich an Fundament und Output zu verlieren. Beim Caprice bleibt der Sound sehr kräftig.
Mit der Toneblende sind weitreichende Eingriffe in das Klangbild möglich. MoTown-fett oder Höhen-reich, näselnd oder knarzig, das Klangspektrum ist weit gefächert möglich.
Der Bass macht Spaß. Er klingt irgendwie erfrischend "anders". Meine anfängliche Befürchtung, nur eine Kopie in der Hand zu halten, ist schnell verflogen. Obwohl: "Kopie" trifft es ja nicht ganz. Ist der Gründer bzw. Mitbegründer beider hier zitierter Marken ein und dieselbe Person, nämlich Leo Fender.
Die Verarbeitungsqualität und das Handling sind erwartungsgemäß sehr gut.